Bühne
Olga Tokarczuk: »Empusion« Dramatisierung von Lucien Haug – Aus der Lausitz nach Köln
Forster Hof-
Die Dramatisierung des neuesten Romans der polnischen Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk, deren Texte bereits beim Lausitz Festival präsentiert wurden, inszeniert einer der bedeutendsten Regisseure seiner Generation, Antú Romero Nunes, als schauriges Trinkgelage einer lungenkranken, männlichen Vorkriegsgesellschaft um 1913.
Der Clou dieser Inszenierung besteht darin, dass sämtliche männliche Figuren des Romans Frauen verkörpern. Und zwar Anne Haug, Gro Swantje Kohlhof, Charlotte Müller, Aenne Schwarz und Sabine Waibel.
Die Schauspielerinnen führen mit den Mitteln des Spiels und der Verfremdung die patriarchalen Verhältnisse vor und geben uns Einblick in ausrangierte Männerseelen, deren unerfüllte Sehnsüchte, Träume, aber auch Machtfantasien.
Žonjace duchi wjećby - Weibliche Rachegeister
Das schlesische Görbersdorf galt lange als beachtenswerter europäischer Kurort. Hier wurden Heilmethoden entwickelt, die das Schweizerische Davos später zu Weltruhm brachten. Und hier spielt Tokarczuks »natur(un)heilkundliche Schauergeschichte«. Denn Görbersdorf umgibt ein schreckliches Geheimnis. Wie in Thomas Manns »Zauberberg« trifft sich eine Gruppe männlicher Patienten zu intellektuellen Spaziergängen in der Höhenluft. Während diese Herren sich mittels frauenverachtender Thesen von Darwin, Freud und Nietzsche austauschen, kommt jedes Jahr im nahen Wald ein junger Mann ums Leben. Für die Bühne wird der Roman zur dialogstarken Krimigeschichte. Wer ist verantwortlich für die Morde im Dorf und im Wald? Was für eine Rolle spielen die Tuntschis? Wieso schweigen die Dorfbewohner zu den Geschehnissen?
Tokarczuks provokantes Gleichnis auf gesellschaftliche Entwicklungen breitet an einem ausschließlich männlichen »Tuberkulosestammtisch« eine Weltgeschichte der Frauenverachtung aus. Daraus entsteht am Vorabend des verheerenden Ersten Weltkriegs ein mystisches Schlachtfeld zwischen einer misogynen Männerwelt und den Rachegeistinnen einst ermordeter Hexen, die diese nun heimsuchen. In der ländlichen Abgeschlossenheit, der Wildnis der Wälder, brechen die nicht fassbaren und durch keine »Aufklärung« mehr zu bewältigenden Fliehkräfte hervor, die das zivile Gemeinwesen zu zerstören vermögen.
Der Bühnenthriller zeigt zugleich die Entfaltung eines anderen Selbst des Protagonisten Mieczysław Wojnicz. In Koproduktion mit den Theatern in Basel und Köln, an denen das Lausitzer Original im Anschluss an das Festival im Repertoire gezeigt werden wird, entsteht so ein Theater über unsere Angst vor dem Anderen. In der Regie von Antú Romero Nunes, mit der Musik von Anna Bauer sowie in der Ausstattung von Matthias Koch – alle drei Künstler:innen arbeiteten zuletzt für die zum Berliner Theatertreffen eingeladene Inszenierung »Ein Sommernachtstraum« zusammen – scheint in der Auseinandersetzung mit einer diskriminierenden Welt die Utopie eines postpatriarchalen Lebens auf.
Koproduktion mit dem Theater Basel und dem Schauspiel Köln, in Zusammenarbeit mit dem Staatstheater Cottbus.
Quelle: Lausitz Festival
Termine
- 24.11.2024 20:00 Forster Hof
- 14.12.2024 20:00 Forster Hof
- 15.12.2024 20:00 Forster Hof